Der Weg zur Berufung
Nikalaj war schon in jungen Jahren gern draußen in der Natur, doch seine Berufung zum Küchenchef und Kochbuchautor entdeckte er erst später.
In seinen Zwanzigern zog er zunächst einmal mit einer Gitarre im Gepäck nach London, um Musiker zu werden. "Ich war ein verdammt guter Gitarrist.", erzählte er und fügte ganz lässig hinzu: "Ich habe mit Leuten wie Jason Mraz, Cat Stevens und James Morrison gespielt."
Dort am Stadtrand von London, in einer von Jamie Olivers Küchen, lernte Nikolaj aber schließlich auch, wie man Fisch und Wild zubereitet.
Zurück in Dänemark verhalf ihm diese Erfahrung zu einer Stelle als Küchenchef auf einem großen Biobauernhof. Dort kam ihm die Idee, wie er seine Begabung fürs Kochen mit seiner Leidenschaft fürs Jagen und Fährtenlesen verbinden konnte.
Die Jagd beginnt
Als Nikolaj sein Gewehr vom Rücken nahm und durch das Zielfernrohr spähte, sagte ich leise: "Das ist das erste Mal, dass ich bei so etwas dabei bin. Ich bin mir nicht einmal sicher, was ich davon halte."
Nikolaj warf mir kurz einen verständnisvollen Blick zu. Während er sich wieder dem Fernrohr zuwandte, sagte er: "Ich liebe die Jagd, aber ich denke nicht, dass jeder ein Gewehr haben sollte."
"Wie meinst du das?" fragte ich.
"Die Jagd ist eine Form von Naturschutz", erklärte er. "Wenn eine Hirschpopulation zu dicht oder übermäßig groß wird, entwickelt sie viel eher Krankheiten, die dann den gesamten Bestand gefährden."
"Ich würde niemals einen Rehbock oder Damhirsch schießen, von dem ich glaube, dass er gesunde Nachkommen haben kann", fuhr er fort. "Ich jage selektiv. Indem man ältere oder schwächere Tiere erlegt, reguliert man den Wildbestand. Es ist sinnvoll, das natürliche Gleichgewicht stabil zu halten. Genau dazu trage ich bei, wenn ich jagen gehe."
So hatte ich die Sache noch nie gesehen. Für mich als Vorstadtkind war Jagen immer nur ein Zeitvertreib gewesen, mit dem ich nichts anfangen konnte. Aber hier draußen, mit Nikolaj mitten in der Wildnis, ergab diese Sichtweise Sinn. Wir verurteilen die Jagd gern als etwas Böses. Aber verantwortungsvolle Jagd hat viel mit einem gesunden Gleichgewicht zu tun - und mit nachhaltiger Nahrungsbeschaffung.
...der ganze Wald wird lebendig, es ist ein großartiges Gefühl. Das ist Balsam für meine Seele.
Zurück im Camp
Viel schneller als erwartet war die Jagd vorbei. Selbst Nikolaj war überrascht, wie schnell alles ging. Auf dem Rückweg zu unserer Basis, den wir mit einem Damhirsch antraten, erzählte er mir von seinem Kochbuch "Walk on the Wild Side".
"Viele Jäger in Dänemark wissen gar nicht, wie man das geschossene Wild überhaupt zubereitet. Sie kennen so ungefähr ein Rezept", lachte er.
"Ich wollte da anders herangehen, denn ich mag die Vielfalt beim Essen. Also haben mein Partner [Columbus Leth] und ich ein Kochbuch mit vielen Wild-Rezepten geschrieben, die von unterschiedlichen kulinarischen Traditionen inspiriert sind - von japanischen, mexikanischen, nordischen und italienischen."
Zurück im Camp gab er mir ein Exemplar seines Kochbuchs zum Durchschmökern, während er und seine Crew das Essen vorbereiteten. Ich blätterte staunend durch das 300 Seiten dicke Buch, denn ich stieß auf kein einziges mir bekanntes Gericht.
Pappardelle mit Wildschwein gab es da, Entenbrust mit Polenta oder Fasanenragout mit Öl und Butter. Alle Rezepte waren extra darauf ausgelegt, Jägern und Anglern die große Bandbreite an Möglichkeiten zur Zubereitung von Wild, Fisch und Zutaten aus der Natur näherzubringen. Entwickelt und perfektioniert von einem Mann, dem der Sinn definitiv mehr nach Abwechslung als nach Allerweltessen steht.
Ab auf den Grill damit
Nikolaj zündete seinen Nexgrill 4-Brenner an und klappte den Deckel hoch. Seine Crew war jetzt voll im Restaurant-Modus. Es duftete nach frischen Gewürzen und garendem Gemüse. Die Tische waren mit Kerzen und Laternen rustikal dekoriert. Vorsichtig legte Nikolaj das erste Stück Fleisch auf den gusseisernen Rost. Er bereitete kurz angebratenes, gerolltes Carpaccio mit einer Kruste aus Thymianblättern und Kräutern zu, dazu junge Rote Bete und wilde Rauke.
Als zweiten Gang gab es ein Stück aus der Keule im Schmetterlingsschnitt, eingelegt in einer Salbei-Rosmarin-Marinade mit Knoblauch und Wacholderbeeren. "Die Beeren nehmen etwas von dem Wildgeschmack an", erklärte er, während er sautiertes Frühlingsgemüse und Salsa Verde auf den Teller gab.
Es war das reinste Festmahl. Und wie wir dort so saßen, miteinander scherzten, uns zuprosteten und inmitten dieses Bildbuchwaldes die Gaben der Natur genossen, fühlte ich mich auf wundersame Art eins mit dem Ort.
Wir waren nicht einfach nur draußen in der Natur. Wir nahmen die Wildnis um uns herum buchstäblich in uns auf. Sogen sie auf, voller Respekt für ihre Unermesslichkeit, und schöpften aus ihrer Kraft.
"Die Verbindung mit der Natur ist mir enorm wichtig", sagte Nikolaj. "Wenn ich hinausgehen, ein Tier für meine Familie mit nach Hause bringen und daraus ein schmackhaftes, gesundes Mahl zubereiten kann, war das ein guter Tag. Für andere zu kochen, ist die beste Art, gemeinsam Zeit zu verbringen."
Besonderer Dank geht an Nikolaj Juel und Columbus Leth von Walk on the Wild Side sowie an unsere Gastgeber von Stedsans in the Woods.